Technologie Transformation im Banking
Ein Freund von mir erwähnte die letzten Tage einen spannenden, frei verfügbaren Report von McKinsey mit dem spannenden Titel “Next-gen Technology transformation in Financial Services”.
Heute stellt kaum mehr eine Geschäftsleitung die Wichtigkeit der IT in Frage - auch im Banking ist dieser Gedanke nach vielen Jahren weitgehend verankert. Dennoch spannend, dass gerade in kleineren Finanzinstituten und Finanzdienstleistern die IT oft noch nicht in der Geschäftsleitung vertreten ist. Nach Jahren des Spardrucks gerade auch in der IT stellt sich die Frage nach “wie weiter”. Die Digitale Disruption hat begonnen, neue Player drücken in den Markt der heutigen Finanzdienstleister - oft mit End zu End digitalisierten Lösungen. Was bedeutet dies für die bestehenden Marktspieler und was braucht es um erfolgreich in Zukunft operieren zu können?
McKinsey beleuchtet drei Elemente, welche besonders wichtig sind für die “neue IT”:
Enge Zusammenarbeit mit dem Business um die Strategie zu definieren und den Betrieb zu verschlanken
Talente, Methoden und Tools (wie auch Partnerschaften) um beschleunigt Innovation vorantreiben zu können
Ein zukunfts-bereites Technologie-Fundament mit flexiblen, skalierbaren IT-Systemen welche schnelle Releases und neue, sichere Produkte ermöglichen
Alles Elemente welche ich nur zu gut unterstützen kann. Doch wie kommen wir vom heutigen Zustand “Ist” auf diesen neuen “Soll” Zustand bzw. was bedeuten die drei Themen?
Enge Zusammenarbeit
Das Alignment zwischen Business und IT muss deutlich enger werden. Die Zusammenarbeit geht in beide Richtungen - IT muss verstehen wo das Business hingeht und IT muss aufzeigen, welche neuen Möglichkeiten und Trends aus der Technologie Auswirkungen auf das Business oder neue Business-Modelle haben. So sollten z.B. auch Head IT / CIOs in die Geschäftsleitung nominiert werden, um IT als Partner am Tisch zu haben. Diese können und müssen helfen die strategischen Investitionen in die IT und die Plattform zu lenken. Gerade bei den oft Mehrjahres-Programmen ist es wichtig über gewisse Ausdauer und Konsistenz zu zeigen. Dies sicherzustellen kann aufgrund der teils schnell wechselnden CxO Positionen schwierig sein.
In der Mannschaft der IT braucht es einen anderen Typ von “IT Mitarbeiter”. Die Anforderungen an die IT Mitarbeiter werden weiter steigen: Es braucht nicht “nur” gute technische Spezialisten, sondern auch Leute, welche sich für das Business interessieren und dies auch verstehen. Nur mit diesem Wissen, dem echten Interesse für das spezifische Business und der nötigen Sozialkompetenz wird der Dialog erst ermöglicht. Die Mitarbeiter sollten dabei konsequent auf das Einnehmen der Kundenperspektive getrimmt werden. Noch viel zu oft sehe ich innerhalb der IT Bewegungen der “IT zuliebe bzw. aus Freude an einem neuen Tool oder Technologie”.
Talente, Methoden und Tools
Auf der Achse der Talente, Methoden und Tools verweise ich gerne auf vergangene und kommende Posts rund um das Thema “Agile Transformation”. Ich bin persönlich überzeugt, dass wir in Zukunft nicht mehr von Business und IT sprechen sollten, sondern in cross-funktionalen Teams an den bestehenden und kommenden Themen gemeinsam arbeiten. Auch werden wir als Firma viel bewusster auf Talente eingehen müssen und diese auch aktiv suchen (dazu auch mein Beitrag “Mitarbeiter einstellen“). Dies bedeutet aber auch, dass wir Flexibilität von unseren HR Partnern benötigen: Talente müssen auch eingestellt werden können, wenn keine spezifische Rolle offen ist oder aber wenn wir mehr Flexibilität bei den Arbeitsbedingungen (Arbeitszeitmodelle, Salär, …) brauchen. Spitzenleute brauchen ein entsprechendes Umfeld. Meine persönliche Erfahrung aber auch zig Studien zeigen, dass “top talents” nicht doppelt oder dreimal so viel bewegen als andere, sondern meist um Faktoren mehr. Eine Studie von MyKinsey zeigt, dass gerade in Bereichen wie die Software Entwicklung ein high Performer rund 8x mehr Produktivität zeigt als ein durchschnittlicher Mitarbeiter.
In meinem aktuellen Umfeld sehe ich eine fehlende Technologie Expertise bzw. die Kultur und den Drang dies zu schaffen. Es fehlt für einen Software Entwickler der Anreiz und auch die Inspiration (durch Seniors) das eigene Handwerk zu professionalisieren. Ohne diese Expertise und diese Kultur ist die Software Entwicklung ein sehr mechanischer Prozess - sollte dieser nicht mehr ein fast schon künstlerischer Gestaltungsprozess sein über welchen neue Möglichkeiten geschaffen werden?
Flexible, skalierbare IT-Systeme
Als ITler mit viel Passion für das Thema “IT Architektur” möchte ich ein paar Ausführungen zum letzten Punkt machen, d.h. die flexiblen, skalierbaren IT-Systeme. Kaum eine Firma versucht nicht in eine moderne IT Architektur zu investieren und dadurch ein Verbund von modularen, durch API “lose” gekoppelte Systeme zu schaffen. Diese sollten wie Lego-Bausteine flexible zu neuen Lösungen und Funktionen gekoppelt werden können oder mindestens so einfach um neue Bausteine erweitert werden können. Leider zeigt die Realität zu oft ein anderes Bild: Es tummeln sich Alt-Systeme, welche kaum mehr jemand versteht, geschweige denn verändern kann. Verschiedene Applikationen bieten schlicht und einfach keine modernen APIs und sind nur schwer oder über Umwege (“Hacks”) zu integrieren. Immer wieder müssen kleine (oder auch grössere) handgestrickte Komponenten gebaut werden um die gewünschte Funktion dem Business anbieten zu können. Zu oft lässt der Zeit- und Kostendruck den sauberen Umbau der Alt-Systeme auf die neuen Anforderungen nicht zu und es wird über eine taktische Lösung ein weniger aufwendige Weg begangen. Leider steigt dabei die Gesamtkomplexität der Landschaft kontinuierlich an, der Aufwand für Veränderungen nimmt zu und die Stabilität der Gesamtlösung nimmt ab. Eine Tendenz welche wir brechen müssen. Doch wie?
McKinsey skizziert ein Modell zur Analyse und Planung der Applikations-Transformation (siehe Bild). Einen ähnlichen Ansatz verfolgen wir aktuell in meinem Umfeld durch eine Analyse des Ist-Zustandes und eine Einschätzung des “Fit for purpose” für die Zukunft - aus einer technischen aber auch Business-Sicht. Dies kann enorm helfen nur schon den Dialog mit den Business Stakeholdern besser zu führen und die Diskussion mit den IT-Teams zu strukturieren.
McKinsey Modell für den “Fittness Check” der Applikationen und deren Transformation
McKinsey beschreibt in der oben erwähnten Studie drei mögliche “Migrations-Szenarien” für den Kern der Bankenlösung: vom Big-Bang, über eine stufenweise Erneuerung hin zu einem “Greenfield Approach”.
Persönlich bin ich skeptisch bezüglich einem Big-Bang Approach. Die Komplexität und die Kosten solcher Vorhaben sind immens. Oft vor allem auch gekennzeichnet von einem gewissen Innovationsstau während dieser Phase, welcher gerade in den immer kurz-zyklischen Zeiten eine Herausforderung in sich darstellt. In meinem aktuellen Umfeld kaum umsetzbar und in Verbindung mit sich schnell verändernden “politischen Faktoren” oft eher ein Selbstmord-Kommando mit der riesen Gefahr “stuck in the middle” zu enden. Die stufenweise Erneuerung birgt dieses Risiko kaum und ermöglicht einen gewissen Mix zwischen Renovation und Innovation. Die Kern-Frage, welche sich hier stellt: Wie sieht die Reise aus und ist eine stufenweise Migration überhaupt möglich? Der Greenfield-Approach erscheint mir persönlich sehr spannend, leider kann ich auf keine eigenen Erfahrungen in dem Kontext zurückgreifen. Sollte sich die Opportunität ergeben ein zB neues (standalone) Produkt auf einer neuen Plattform zu lancieren wäre dies durchwegs spannend.
Schlusswort
Die Herausforderungen sind riesig, die Chancen und Möglichkeiten noch vielfältiger. Ich bin überzeugt, der Job der IT war noch nie so anspruchsvoll und spannend. Als Führungspersonen in dem Umfeld sind wir alle gefordert - wir müssen das Business mit auf die Reise nehmen, unsere Arbeitsweise verändern und Talente gewinnen sowie die Technologie-Basis (meist) fundamental erneuern.
Viele der hier dargelegten Überlegungen wurden durch das Set von Studien von McKinsey initiiert und unterstützt. Ich kann das Lesen des umfangreichen Dokumentes (~120 Seiten) nur empfehlen. Das Dokument ist in einzelne Artikel strukturiert und erlaubt es immer mal wieder einen Happen zu verdauen.
PS: Spannend übrigens auch: McKinsey zeigt sehr viel Tech-Knowhow und Fokus auf Tech-Themen. Nur schon dies zeigt, dass Technologie und IT mehr als nur ein CIO Thema sind - die Themen sind auf der CxO Ebene angekommen oder müssen mindestens auf der Ebene ernst genommen werden.